Für Dich
Märchen und Geschichten zum Schmunzeln und Nachdenken
Geschichte der Esel
Das Wesen des Esels lässt die Menschen nicht kalt. Esel sind bis zum heutigen Tag kontrovers wahrgenommene Geschöpfe. Bis in die Antike hatte der Esel ein sehr hohes Ansehen. Er wurde bereits früh domestiziert und half beim Bau der Pyramiden in Ägypten indem er unermüdlich Steine schleppte. Auch zum Bau des Kolosseums in Rom waren Esel als Transporttiere nicht wegzudenken. Im Christentum spielte der Esel eine zentrale Rolle. Bereits Maria ritt der Überlieferung zufolge auf einem Esel von Nazareth nach Bethlehem. Dieser Esel war bekanntlich bei Christi Geburt im Stall anwesend und später ritt Jesus am Palmsonntag auf einem Esel durch Jerusalem. Trotzdem wurde der Esel im Mittelalter als dumm und lächerlich betrachtet und das ist zum Teil bis heute so geblieben. Da der Esel eines der ältesten Nutztiere unserer Welt ist, gibt es viele Legenden, Geschichten, Analogien und Begriffe, die mit ihm in Zusammenhang stehen und die bis heute gebräuchlich sind. So nimmt ein Eselsohr im Schulbuch Bezug auf die geknickten Ohren des Fohlens unmittelbar nach der Geburt. Der Goldesel erhilft im Märchen zu ungeahntem Reichtum. So kann uns das zauberhafte Wesen eines Esels in der Tat noch heute zu unserem inneren Reichtum führen.
Warum der Esel stur wurde
Vor sehr langer Zeit war einmal ein Bauer, der hatte zwei Esel, die für ihn Kartoffeln schleppten. Einer von ihnen war schon alt und müde und wäre gerne in Rente gegangen. Der andere wurde plötzlich krank und wollte ein paar Tage Ruhe und Ferien. Doch der Bauer nahm darauf keine Rücksicht und trieb sie weiter mit den schweren Säcken ins Dorf, um dort seine Kartoffeln zu verkaufen. Eines Tages beim Abendessen beschwerte sich der Bauer bei seiner Frau über seine beiden Esel. „Frau“, sagte er, was soll ich tun? Der eine Esel ist alt und müde, der andere ist krank und frisst nicht recht.“ „Kauf dir einen neuen, jungen, kräftigen Esel“, sagte die Frau, „der kann für zwei arbeiten und dann jagst du die beiden anderen in den Wald und überlässt sie den Wölfen.“ „Meinst du wirklich?“, fragte der Bauer. „Ja freilich“, sagte die Frau, „was willst du mit den beiden nutzlosen Fressern noch? Schau nur, dass du weiterhin die Ernte ins Dorf bringst und gut verkaufen kannst.“ Sie liebte das Geld des Bauern halt schon sehr, was ihr Herz zum Versteinern brachte. Der Bauer suchte fortan, einen jungen, kräftigen Esel zu kaufen, was ihm erst nach einiger Zeit gelang. Als er endlich einen neuen Esel gekauft hatte, führte er ihn nach Hause und murmelte dabei vor sich hin: „So, jetzt werde ich die beiden anderen endlich los. Sollen sie von den Wölfen gefressen werden, das ist mir egal.“ Er führte den Esel in den Stall zu den beiden anderen. Da sah der neue Esel natürlich sofort, was los war und dachte schon, was mit ihm einmal passieren würde, wenn er krank würde oder alt sei. Er erzählte den beiden Eseln, was er vom Bauern gehört hatte. Da erschraken die beiden natürlich und waren ganz verzweifelt. Eine Maus, die unter dem Stall mit ihrer Familie wohnte, hörte das Wehklagen der Esel und kam aus ihrem Loch hervor. „Was ist los mit euch?“, fragte sie. Die Esel klagten der Maus ihr Leid und wussten sich keinen Rat. Da sagte die Maus: „Das ist doch ganz einfach! Ihr müsst zusammenhalten. Das tun wir Mäuse schon lange. Du, sagte sie zu dem neuen Esel, „du frisst nichts mehr und stellst dich immer zu den beiden anderen. Du gehst nicht allein auf den Acker, egal was der Bauer tut.“ „Da werde ich aber ganz schön Prügel beziehen“, sagte der Esel. „Die bekommst du sowieso, weil der Bauer nicht genug bekommt, egal, wie viele Säcke du trägst“, sagte die Maus. „Wenn dich der Bauer auf den Acker treiben will, gehst du nur, wenn die beiden anderen mitgehen dürfen. Dann kann er sie nicht in den Wald zu den Wölfen treiben.“ „Das wird aber viele Stockhiebe geben“, antwortete der junge Esel, während die beiden anderen ganz bekümmert schauten. „Ihr müsst zusammenhalten“, sagte die Maus noch einmal. „Denn prügeln wird er dich sowieso und immer noch mehr verlangen. Aber wenn er dich zuviel prügelt, muss auch er einsehen, dass niemand mehr seine Säcke schleppt und das ist für ihn viel schlimmer als ein langsamer Esel. Die Esel überlegten wohl und sahen ein, dass die Maus Recht hatte. Als am nächsten Tag der Bauer den Esel auf den Acker treiben wollte, suchte dieser hinter dem alten und dem kranken Esel Schutz. Da wurde der Bauer wütend und hieb mit dem Stock auf alle drei Esel ein. Die drei Esel schrien furchtbar, aber sie taten keinen Schritt. Endlich bekam der Bauer keine Luft mehr und hielt ein. Da gingen die drei Esel hinaus zum Acker. Der Bauer wunderte sich sehr. Er lud dem jungen Esel die Kartoffelsäcke auf, was sich dieser gefallen ließ. Auch dem alten Esel konnte er noch zwei kleine Säcke aufladen. Nur der kranke Esel legte sich hin und stand nicht auf. Dem Bauern dämmerte, dass er wohl auf seine beiden anderen Esel nicht verzichten könnte, wenn er nicht riskieren wollte, dass auch der dritte nicht mehr schleppen wollte. Er hätte wahrscheinlich die Esel in Ruhe gelassen, aber seine Frau war da anderer Meinung. „Du lässt dir von ein paar Eseln auf der Nase rumtanzen“, schrie sie. „Bist du von Sinnen?“ Da versuchte der Bauer am nächsten wieder, den neuen Esel mit Stockschlägen auf den Acker zu treiben, aber auch diesmal blieb der Esel bei den beiden anderen. Sie verließen den Stall gemeinsam erst, als der Bauer wieder keine Luft mehr bekam, weil er den Stock so heftig geschwungen hatte. Nun hatte der Bauer genug und ging zu seiner Frau. „Es ist mir egal, was du sagst“, sagte er zu ihr. Diese Esel sind total eigensinnig und stur und gehorchen nur, wenn sie wollen. Ich lasse alle drei da, das bisschen mehr Futter, was das kostet, bringt uns nicht um.“ Die Frau sah ein, dass sie ihren Mann nicht umstimmen konnte. So fütterte der Bauer ab sofort immer alle drei Esel und liess es ihnen an nichts fehlen. Der kranke Esel wurde wieder gesund und dankte es dem Bauern. Er schleppte fast so viele Säcke wie der neue Esel. So kamen alle miteinander gut zurecht und waren zufrieden. Die Maus aber und die Esel erzählten von ihrem Erfolg und bald hatten alle Esel davon gehört. Deshalb können Esel auch heute noch so stur sein, wie es nur Esel sein können.
Der Esel im Brunnen
Eines Tages fiel einem Bauern der Esel in einen tiefen Brunnen. Das Tier schrie fürchterlich, aber so sehr der Bauer und seine Nachbarn es auch versuchten, es gelang ihnen nicht, das Tier aus dem tiefen Schacht herauszuziehen. Schließlich beschloss der Bauer schweren Herzens, den Esel sterben zu lassen. Weil der Esel alt war und der Schacht sowieso zugeschüttet werden sollte, schaufelten die Männer Abfälle und Erde in den Brunnen, um den alten Esel gleich im Schacht zu begraben. Als der Esel ahnte, was mit ihm geschehen sollte, schrie er noch lauter als zuvor. Erst nach einiger Zeit wurde es endlich still im Brunnenschacht. Die Männer schaufelten still weiter, bis der Bauer es wagte, in das zukünftige Grab des armen Esels hinabzusehen. Er staunte nicht schlecht, denn der Esel hatte etwas Erstaunliches getan. Jede Schaufel voll Dreck, die auf seinem Fell landete, hatte er abgeschüttelt, festgetrampelt und war auf diese Weise langsam immer höher gekommen. Als die Männer weiterschaufelten, war der Boden im Brunnen nach kurzer Zeit hoch genug, dass der Esel mit eigener Kraft aus dem Loch heraussteigen und davontrotten konnte.